Russland, der Krieg und das Klima: Selbstmord aus Angst vor dem Tod?

Bei der Sichtung des in den letzten Jahren angefallenen Materials in Sachen Klimakatastrophe für die bevorstehenden Veranstaltungen ist uns der weiter unten folgende, vier Jahre alte Artikel wieder vor Augen gekommen. Und angesichts der aktuellen Situation finden wir die dort thematisierten Aspekte mehr als interessant. Auch, wenn wir nicht von einer monokausalen Erklärung für den russischen Angriffskrieg ausgehen – große Teile der russischen Gesellschaft lassen sich im Prinzip seit Jahrhunderten als psychosoziales Krisengebiet verstehen, siehe

Die Zahlen sind erschreckend: 66 Prozent der in Russland ermordeten Frauen wurden Opfer häuslicher Gewalt. In 53 Prozent der Fälle verübte der Lebenspartner die Tat, die restlichen Taten gingen auf das Konto von Familienangehörigen. (…)

Ohrfeigen, Gürtel und dunkle Räume: Warum gehört Gewalt in Russland noch heute zur Erziehung dazu?

– so ist doch für ein Land ein System, dessen Ökonomie zu entscheidenden Teilen auf dem Verkauf der fossilen Brennstoffe Öl, Gas und Kohle beruht, die Klimakatastrophe, die irgendwann in nicht mehr ferner Zukunft absehbar das Ende dieser Geschäfte erzwingen wird, eine finale Wand. Es ist kaum vorstellbar, dass das den herrschenden russischen Eliten um Putin nicht bewusst ist. Und so kann es also durchaus als Motiv für die aktuelle imperialistische Politik eine Rolle spielen, jetzt zu einer Zeit noch Fakten zu schaffen, in der das für Putins Gang noch möglich ist – bevor die Natur allen Expansionsgelüsten auf jeder Ebene einen Riegel vorschiebt.

Wir haben den erwähnten Artikel vom Englischen ins Deutsche übersetzt. Veröffentlicht wurde er am 6. September 2018 in der „New Moscow Times“

 

Russisches Ministerium warnt vor kommender Umweltapokalypse aufgrund des Klimawandels

Das russische Umweltministerium hat einen Bericht veröffentlicht, der eine apokalyptische Zukunft für das Land aufgrund des Klimawandels malt, mit Folgen wie Epidemien, Dürre, Massenüberschwemmungen und Hunger.

Während Russland von einem bescheidenen Anstieg der globalen Temperaturen, der die Schifffahrt in der Arktis öffnen und mehr wirtschaftliche Aktivitäten im Winter ermöglichen soll, wirtschaftlich profitieren soll, hat das Land schätzungsweise 1,55 Billionen Rubel (22 Milliarden Dollar) für ein neues Umweltprogramm zur Förderung der Verringerung der Luftverschmutzung, der Aufforstung und des Recyclings bereitgestellt.

Der am Montag vom Ministerium für Naturressourcen und Umwelt veröffentlichte Berichtsentwurf umfasst 900 Seiten und schlüsselt die bisherigen und künftigen Folgen des Klimawandels für das Land auf.

Hier sind die wichtigsten Ergebnisse:

 

– Die Zahl der Todesfälle durch Umweltkatastrophen ist in Russland zwischen 2016 und 2017 um das 11-fache gestiegen.

 

– Die Temperaturen in Russland sind mehr als doppelt so schnell gestiegen wie der Weltdurchschnitt von 0,18 Grad Celsius pro Jahrzehnt.

 

– Die Konzentration von Treibhausgasen, die durch das Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum der letzten zwei Jahrhunderte verursacht wurde, erreichte im vergangenen Jahr Rekordwerte.

 

– Dies hat zu einer – zumindest in den letzten 800 000 Jahren – beispiellosen Konzentration von Kohlendioxid (CO2), Methan und Distickstoffoxid in der Atmosphäre geführt.

 

– Mit einem Anteil von 4,5 Prozent hat Russland hinter China, den Vereinigten Staaten und Indien den viertgrößten Anteil an den Treibhausgasemissionen der Welt.

 

– Dem Bericht des Ministeriums zufolge ist es zu 95 Prozent sicher, dass menschliche Aktivitäten zur globalen Erwärmung beitragen, die seit Mitte des 20. Jahrhunderts zu beobachten ist.

Künftige Gefahren

 

– Moskau und andere Großstädte sind von wärmerem Wetter und zunehmender Umweltverschmutzung bedroht, während ältere Menschen in Zentral- und Südrussland der Gefahr von Hitzewellen ausgesetzt sind. Andere Regionen können aufgrund von verunreinigtem Trinkwasser und Insekten zu Krankheitsherden werden, heißt es in dem Berichtsentwurf.

 

– In Südrussland besteht ein erhöhtes Unfallrisiko durch die Verformung von Eisenbahnschienen bei extrem hohen Temperaturen.

 

– Die Überhitzung von Gebäuden während Hitzewellen führt zu einem erhöhten Energieverbrauch und trägt zu Energie- und Wasserversorgungsengpässen bei der städtischen Bevölkerung in Zentralrussland bei.

 

– Schmelzender Permafrost in und um die russische Arktis könnte dazu führen, dass gefährliche chemische, biologische und radioaktive Stoffe in den menschlichen Lebensraum gelangen.

 

– Waldbrände in Sibirien und anderen Gebieten könnten häufiger auftreten, mehr Emissionen verursachen und Menschenleben bedrohen. Der Ferne Osten wird anfälliger für Sturzfluten und Monsunregen.

 

Die Rolle des Ministeriums

Eine anonyme Regierungsquelle sagte, die unerwartete Konzentration auf die Folgen des Klimawandels in diesem Jahr bedeute wahrscheinlich, dass das Ministerium beabsichtige, die Rolle des Hauptentwicklers und Koordinators der Klimapolitik zu übernehmen.

Laut der Wirtschaftszeitung Kommersant teilen sich derzeit das Ministerium für natürliche Ressourcen, das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung, das Energieministerium und das Ministerium für Industrie und Handel diese Aufgabe. „Deshalb legen sie die Grundlagen, um sich bei Bedarf auf ihren Bericht berufen zu können“, sagte der ungenannte Beamte der Zeitung am Donnerstag.

Apropos Sibirien:

„Zweite Front“ für Putin: In Russland wüten verheerende Waldbrände (…) Die Waldbrandsaison in Russland* hat nach Angaben russischer Medien und Greenpeace Russland 2022 bereits sehr früh begonnen. In den vergangenen Tagen seien rund 400 Waldbrände in Sibirien ausgebrochen, berichtete das Katastrophenschutzministerium der Russischen Föderation. Die Waldbrandfläche sei demnach bereits doppelt so groß, wie im April vergangenen Jahres. (…)

Und ein großer Teil derjenigen militärischen Einheiten, die in den letzten Jahren an der Bekämpfung der Brände beteiligt waren, fehlt nun kriegsbedingt. 

 

 

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