Kleine Textsammlung zum Thema ökologischer / klimatischer / sozialer Kollaps

Als inhaltliche Vorbereitung und zur Verkürzung der Wartezeit bis zum Beginn von Veranstaltungsreihe und Workshop packen wir jetzt eine geballte Ladung Doom vor den geneigten Mitlesenden aus. Wir möchten gar nicht erst irgendetwas relativieren oder behaupten, dass wir die Laune heben möchten. Wir betrachten diese Texte als dringend nötige Beiträge zur angemessenen Realitätswahrnehmung – als Beschreibung, wie unser Zustand auf diesem wunderschönen Planeten

inzwischen wirklich beschaffen ist.

Fast alle Texte sind im Original in english erschienen; wir haben sie zum besseren Verständnis aufgrund der Wichtigkeit der Themen übersetzt bzw. übersetzen lassen. Und bieten diese Übersetzungen gleich nach einer jeweiligen kurzen Vorstellung als PDF zum Download an. Die Links zu den Originaltexten finden sich am Ende der Übersetzungen.

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Veranstaltungsreihe & Workshop Mai / Juni 2022: Wenn die Welt auseinander fällt – Die Klimakatastrophe und ihre zerstörerischen Aus­wirkungen auf Ökologie,Psyche und Gesellschaft

Die Zeichen sind unübersehbar: Rekordtemperaturen, Rekordniederschläge, Rekorddürren, Rekordbrände, Extremwetter weltweit. Und gleichzeitig gibt es eine verbreitete Ignoranz und Unwilligkeit, den westlichen Lebensstil der techno-industriellen,
fossilen Zivilisation auch nur oberflächlich zu verändern.

Verwüstungen nach dem Zyklon Idai in Mozambique, März 2020

Diese zunehmend fatale Entwicklung hat nicht nur Folgen für die direkt Betroffenen von Extremwetterereignissen. Weit darüber hinaus werden jeder Sektor und jedes Mitglied der menschlichen Gesellschaften auf
diesem Planeten mit den zerstörerischen Folgen konfrontiert werden. Und zwar als direkte Folge unserer eigenen artspezifischen Dummheit im Umgang mit der Biosphäre.

Zu dieser Dummheit gehört auch die Fähigkeit, pure Realitätsverdrängung zu betreiben. Was, für sich genommen, bereits als
Symptom für eine entgleiste Wahrnehmungstehen kann – und als eine mögliche Trauma­folge. Diese Realitätsverdrängung wird in vielfältiger Weise von viel zu vielen Fraktionen in Politik, Ökonomie und leider auch in Teilen der Wissenschaft gefördert.

Wir möchten einen realistischen Blick auf die aktuelle Situation werfen: Wie ist unsere Lage wirklich, jenseits aller Beschwörungen von 1,5°C und dem mythischen „Green New Deal“? Was lässt sich alleine aus den zu beobachtenden Phänomenen auf dem Planeten sowie ihren theoretischen Deutungen über unsere Situation sagen? Und was macht dieses Wissen direkt mit uns und unseren Gefühlen & Gedanken? Ist es überhaupt möglich, als Teil einer schwer geschädigten Biosphäre selbst
(psychisch) gesund zu bleiben? Und wie sollen und können wir uns auf einen möglichen zivilisatorischen Kollaps vorbereiten?

In vier Vorträgen plus einem Workshoptag beschäftigen wir uns mit den obigen Fragen und geben ihnen den längst überfälligen Raum.

Vier Veranstaltungen, jeweils thematisch einem der „vier Elemente“ Feuer, Wasser, Erde & Luft zugeordnet – diese Einteilung haben wir vorgenommen, um die Vielfalt der auftretenden Phänomene einigermaßen abdecken zu können.

Programm

Freitag, 20. Mai 2022, 19.30 Uhr
Klimawerkstatt, Westerstr. 58
Feuer: Von Bränden & Hitzewellen. Wie damit umgehen, wenn die eigene Existenz in Flammen aufgeht? Was macht Hitze mit unserer Ge­sund­heit?

Freitag, 27. Mai, 19.30 Uhr
BDP-Haus, Am Hulsberg 136 (nicht barrierefrei)
Wasser: Von Starkregen, Eisschmelzen & dem Meeresspiegel. Die Kraft von Wasser kann extrem zerstörerisch sein. Auch hier lautet eine Frage: wie können Betroffene dieser Elementargewalt einigermaßen weiterleben?

Freitag, 03. Juni, 19.30 Uhr
Klimawerkstatt, Westerstr. 58
Erde: Von Erdrutschen, Dürren & unvorhergesehenen Folgen. Wenn der Boden nicht mehr sicher ist und stirbt: die Themen Nahrungsmittelproduktion & Sicherheit vorhandener Infra­strukturen treten hier besonders in den Vor­dergrund.

Freitag, 10. Juni, 19.30 Uhr
paradox, Bernhardstr. 12
Luft: Von Stürmen aller Art & atmosphärischen Veränderungen – wenn Sicherheiten weg­gepustet werden und Methan“bomben“ zu explodieren drohen.

Workshop mit Norbert Prinz

Samstag, 11. Juni, 10.00 – 16.00 Uhr
paradox, Bernhardstr. 12
Perspektiven des Zusammenbruchs. Orientierung finden in der Hoffnungslosigkeit

Der Workshop hat das Ziel, die Mauer des Schweigens zu brechen und einen Raum zu eröffnen, in dem sich die Teilnehmer*innen über die Gefahr eines gesellschaftlichen Zusammenbruchs aufgrund der gegenwärtigen Krisen auseinandersetzen können. Dieses Thema wird in den Medien leider nicht angemessen repräsentiert und ist auch innerhalb der Klimabewegung kaum besprechbar.

In dem Workshop soll das Verständnis über die psychischen Verarbeitungsmechanismen im Bezug auf das Thema vertieft werden.
Es werden einige Theorien zur Diskussion ge­stellt, die sich dem fehlenden zivilgesellschaftlichen und politischen Diskurs im Bezug auf einen gesellschaftlichen Zusammenbruch widmen. Außerdem wird es im Rahmen des Workshops Gelegenheiten geben, bei denen die Teilnehmer*innen ihre eigenen Perspektiven im Bezug auf das Thema ent­wickeln können. Nur was besprechbar ist, kann auch gestaltet werden.

Norbert Prinz ist Gestalttherapeut und Super­visor in eigener freier Praxis in Leipzig. Er be­schäftigt sich mit humanistischen Perspektiven
in einer Psychologie des Zusammenbruchs, ist Teil der Klimagerechtigkeitsbewegung und baut ein Netzwerk kollapsbewusster Menschen in Deutschland auf.

Unten findet ihr den Infoflyer zur Reihe als Download

WennDieWelt-VA Flyer_screen

Anmeldung zum Workshop: entweder direkt bei den Abendveranstaltungen oder aber per Mail an: akpsk ( at) riseup.net

Pandemiemaßnahmen: wir bitten bei allen Veranstaltungen um einen tagesaktuellen Test!

Notizen aus der Pathokratie (1)

Ja, der Begriff Pathokratie ist für uns die passende Zusammenfassung dessen, was uns da draussen Tag für Tag sowohl im nächsten Umfeld als auch in den entferntesten Weltregionen aufgetischt wird. Zur genaueren Begriffsklärung wird noch ein eigener Beitrag folgen. Ansonsten werden wir zukünftig unter dieser Rubrik / Überschrift immer kurz verlinken und gegebenfalls auch kommentieren, was wir als erinnerungswürdig über den (Veröffentlichungs-) Tag hinaus ansehen.

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Zu der Serie von Anschlägen in diesem Sommer auf europäischen Boden zunächst ein Interview mit einem Mann, dessen Arbeit in Deutschland bis heute chronisch unterschätzt wird:

taz.am wochenende: Herr Theweleit, Ihr letztes Buch handelt unter anderem von ­Anders Breivik, Sie erstellen darin ein „Psychogramm der Tötungslust“. Der Amokmann von Mün­chen, so wurde ermittelt, verehrte Breivik – wofür?

Klaus Theweleit: Breivik war kein Amokmann. Der Münchener Killer auch nicht. Wer sich ein Jahr vorbereitet, läuft nicht „Amok“. Der Terminus ist zwar in Mode, bei de Maizière und anderen medialen Öffentlichkeitsbebetern, er ist aber komplett falsch für die meisten dieser Fälle. Er wird wohl benutzt, weil man auf dieser Schiene über die Täter nicht viel herausbekommt. Das ist wohl das Ziel. Die offiziellen ministerialen Lösungsvorschläge lauten ja auf „schnellere Abschiebung kleinkriminell oder anders auffällig gewordener Flüchtlinge“ – obwohl der Münchener Attentäter mit Flüchtlingen nichts zu tun hat. Mit der psychisch-körperlichen Lage von ihnen und auch der der Killer will sich niemand – so gut wie niemand – befassen.

 

Das Interview ist eine sehr komprimierte Zusammenfassung der Kernthesen des letzten Buches „Das Lachen der Täter“ von Theweleit, in dem er selbst eine Art Fortsetzung der bahnbrechenden „männerphantasien“ aus den späten 1970er Jahren sieht. Für beide gilt ( aus Sicht des Autors dieser Zeilen): die Basis in einem, wenn auch im neuesten Werk um neurobiologische Forschungen (A. Damasio) erweiterten, explizit psychoanalytischem Bezugsrahmen ist ein Faktor, der aus unserer Sicht für unnötige Verzerrungen sorgt. Ja, wir sehen wesentliche Teile der orthodoxen Psychoanalyse nach Freud als überholt, oder treffender, niemals realitätstüchtig gewesen, an. Das mindert aber nicht den grundsätzlichen Wert der Arbeit von Theweleit, die im deutschprachigen Raum noch immer einzigartig ist. Und die – wie auch im obigen Interview deutlich wird – , bis heute in der Lage ist, den eigenen Wahrnehmungsfocus entscheidend zu vergrößern und dadurch ein anderes Licht auf viele Dinge wirft.

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Unter dem Titel „Verrückte Welt“ befasste sich die jungle world Ende Juli in einem Kommentar mit den gleichen Taten und kam zu folgenden Schlüssen:

Während alle Welt versucht, den Terrorismus und andere Formen extremer Gewalt als unverständlichen Wahnsinn von einer angeblichen Normalität abzuspalten, laufen diejenigen, die für die direkte Aktion zu auto­ritär ticken, in den Wahlkabinen Amok und wählen Figuren wie Trump, Erdoğan, Le Pen, Orbán, Petry und Gauland, die objektiv nicht alle Karten im Deck haben und ganz offen die irrsinnigsten Taten ankündigen. Verrückt ist das neue Normal, was freilich nur diejenigen überrascht, die in den vergangenen Jahrzehnten kein einziges gutes Buch in die Hand genommen haben und blind und blöd durchs Leben taumeln. Der Wahnsinn kommt von einer Welt, die an ihren Widersprüchen zerbricht, weil sie wortwörtlich ums ­Verrecken nicht einsehen mag, dass die Reduktion allen Seins auf den Warencharakter und das gleichzeitige Hätscheln irrationaler Ideologien nirgendwo anders hinführen können als in einen Abgrund, dessen Tiefe die meisten noch gar nicht erahnen.

 

Mal abgesehen davon, dass „die Reduktion allen Seins auf den Warencharakter“ womöglich mehr als Symptom denn als Ursache anzusehen ist, durchaus treffende Worte.

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Und zum Schluss dieser AmokTerror-Sammlung noch ein sehr lesenswertes Statement von Götz Eisenberg, einer der wenigen hierzulande, der sich zum Thema Amok seit Jahren wirklich interessante Gedanken macht:

Wem es wirklich um Prävention zu tun ist, wird sich fragen müssen: Welche menschlichen Haltungen gedeihen eigentlich in einem gegebenen sozialen Klima, welche sterben ab? Der Neoliberalismus hat treibhausmäßig eine Atmosphäre der Konkurrenz und zwischenmenschlichen Feindseligkeit gezüchtet und die Herausbildung einer „Kultur des Hasses“ (Eric J. Hobsbawm) befördert. Die Fähigkeiten zu Mitleid, gegenseitiger Hilfe und Solidarität verdorren, weil sie durch die gesellschaftlichen Verhältnisse keine Stützung erfahren und als Karriere-Hindernisse gelten. Die Menschen werden systematisch aufeinander gehetzt und zerfleischen sich untereinander, statt sich gegen zunehmend unerträgliche Verhältnisse zusammenzuschließen und zu wehren. Aggressionen häufen sich an den Rändern des Bewusstseins, der Angst- und Wahnsinnspegel steigt, eine gereizte Stimmungslage breitet sich aus. So dürfen wir uns nicht wundern, wenn Amok und Terror die kriminelle Physiognomie des neoliberalen Zeitalters prägen.

 

Soweit für den Moment. Wie wir fürchten müssen, werden uns ähnliche Taten – nicht eindeutig in einer Schublade abzulegen – zukünftig vermehrt beschäftigen.